Wie aus unserem Kunststoffabfall Mikroplastik wird
Welche Mengen an Kunststoff werden in Deutschland pro Jahr hergestellt und verbraucht?
Der größte Teil der aus fossilen Rohstoffen produzierten Kunststoffe – 11,8 Millionen Tonnen oder 84 % – war Kunststoff-Neuware. Nur etwa 12 % des eingesetzten Materials (1,6 Millionen Tonnen) waren Rezyklate, also wiederaufbereitetes Material (Sekundärrohstoffe). Außerdem wurden 0,6 Millionen Tonnen Nebenprodukte aus Produktions- und Verarbeitungsprozessen als zusätzlicher Rohstoff für die Kunststoffproduktion verwendet.
Werden Importe und Exporte berücksichtigt, so errechnet sich für Deutschland in 2021 ein tatsächlicher Kunststoffverbrauch von 12,4 Millionen Tonnen. Gegenüber dem Jahr 2019 ist das ein Anstieg um 1,8 %.
Wieviel Kunststoffmüll fällt in Deutschland pro Jahr an?
Das Umweltbundesamt gibt an, dass im Jahr 2021 ungefähr 5,7 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle erfasst wurden. Der überwiegende Anteil (96 %) dieser Abfälle fiel nach dem Gebrauch entsprechenden Kunststoffprodukte bei Verbrauchern oder Nutzern an. Der Rest entstand bei der Produktion und der Verarbeitung der Kunststoffe. Laut dieser Statistik wurden 99,4 % der Kunststoffabfälle verwertet – davon 2,0 Millionen Tonnen stofflich verwertet (zum Beispiel als Rezyklat aufbereitet) und 3,7 Millionen Tonnen energetisch genutzt (beispielsweise Verbrennung in Müllverbrennungsanlagen oder als Ersatzbrennstoffe in Kraftwerken oder bei der Zementproduktion).
Während 83 % der Abfälle in Betrieben der Kunststofferzeugung und 73 % bei der Kunststoffverarbeitung recycelt wurden, liegt der Recyclinganteil in privaten Haushalten deutlich geringer. Von den in Haushalten anfallenden Kunststoffabfällen wurden im Jahr 2021 nur 29 % stofflich verwertet. Ursache für diesen geringen Anteil ist, dass Kunststoffabfälle in Haushalten vorwiegend verschmutzt und vermischt anfallen und somit die sortenreine Trennung und Aufbereitung schwierig ist.
Wo verbleibt der Rest der produzierten Kunststoffe?
Zwischen dem Kunststoffverbrauch und der Menge an erfassten Kunststoffabfällen klafft also eine große Lücke: 6,7 Millionen Tonnen der in Deutschland auf den Markt gebrachten Kunststoffe. Darin enthalten sind sowohl die Kunststoffmengen, die in langlebigen Produkten über Jahre genutzt werden – beispielsweise als Baumaterialien oder in Elektrogeräten und Fahrzeugen – bevor sie zu Abfall werden. Aber dieser Anteil beinhaltet auch Kunststoffabfälle, beispielsweise aus Haushalten, die nicht sortiert und über den Restmüll entsorgt wird.
Ein anderer Anteil dieser nicht erfassten Kunststoffabfälle landet aber auch durch Unachtsamkeit oder Gleichgültigkeit auf dem Boden neben Straßen und Gehwegen oder in der Natur am Wegesrand – Lebensmittel- und Getränkeverpackungen, Plastiktaschen, defekte oder vergessene Spielgräte, Hundekotbeutel – oder sogar auf wilden Müllplätzen, wo bewusst Abfälle illegal abgelegt werden.
Je nach örtlichen Gegebenheiten gelangen Kunststoffabfälle bei Niederschlägen in die Kanalisation oder mit dem Oberflächenabfluss in Gewässer. Die Mobilität der Kunststoffteile ist auch von Größe, Form und Gewicht abhängig. Nur aus dem Anteil des Niederschlagwassers und Oberflächenabflusses, der in Kläranlagen gereinigt wird, werden Feststoffe weitgehend entfernt. Über Bäche und Flüsse gelangen Kunststoffabfälle in die Meere. Aber auch direkt an Stränden, Ufern und in Hafengebieten finden sich weggeworfene Produkte aus Kunststoffen, die im Meer enden.
Fotos: Weggeworfene pfandfreie Getränkeverpackungen.
Was passiert mit den Kunststoffabfällen in der Umwelt?
Einmal in die Umwelt gelangte Kunststoffabfälle sind sehr langlebig. Forschende gehen davon aus, dass sie je nach Größe und Kunststoffart bis zu Hunderte von Jahren in der Umwelt verbleiben. Dabei werden sie durch Umwelteinflüsse wie Wärme, UV-Licht, mechanische Beanspruchungen, die Anwesenheit oxidierenden Verbindungen wie Sauerstoff oder Ozon und teilweise auch durch Mikroorganismen zu kleineren Partikeln abgebaut. Während auf dem Boden zum Beispiel hohe Temperaturen und UV-Licht bei Sonneneinstrahlung sowie mechanische Belastungen (beispielsweise Tierbisse) eine wichtige Rolle beim Kunststoffabbau spielen, sind in Gewässern auch chemische Prozesse und Mikroorganismen wichtig. Ausmaß und Geschwindigkeit der Zerkleinerung hängt von den jeweiligen Umweltbedingungen sowie auch von der Kunststoffart und der Oberfläche der Plastikteile ab.
Je nach Größe wird zwischen verschiedenen Kategorien unterschieden. Makroplastik sind Plastikabfälle, die größer als 5 Millimeter sind, also häufig zunächst die ursprünglichen Produkte. Mikroplastik sind Kunststoffteilchen, die 5 Millimeter oder kleiner sind. Manchmal wird auch noch zwischen großem Mikroplastik (1 bis 5 Millimeter) und kleinem Mikroplastik (1 Mikrometer bis 1 Millimeter) differenziert.
Foto: Computer-generierte zerfallene Plastikflasche (Bing Image Creator)
Weiterhin wird bei Mikroplastik-Teilchen unterschieden, ob sie direkt als Mikroplastik produziert werden oder erst nach dem Eintrag in die Umwelt dort durch Abbauprozesse entstehen. Primäres Mikroplastik wird produziert, um zum Beispiel als Bestandteil von Peeling-Kosmetika oder industriellen Schleifmitteln eingesetzt zu werden. Zum primären Mikroplastik rechnet man auch die Freisetzung von Mikroplastik aus Produkten während der Nutzungsphase (beispielsweise Abrieb von verwitternden Kunststoffdächern). Dagegen entsteht sekundäres Mikroplastik erst durch Abbauprozesse aus dem in die Umwelt gelangten Makroplastik.
Noch kleinere Kunststoffteilchen, die aus dem weiteren Zerfall und Abbau von Mikroplastik entstehen, werden als Nanoplastik bezeichnet. Diese sind 1 Mikrometer, also ein Tausendstel Millimeter, und kleiner.
Durch den Abbau von Mikroplastik durch Umwelteinflüsse entsteht eine immer größere Anzahl kleinerer Partikel: wenn aus einem Mikroplastik-Teilchen mit 5 Millimeter Durchmesser durch Abbau Teilchen mit 1 Millimeter Durchmesser entstehen, sind das schon 125 Mikroplastik-Teilchen. Wenn diese dann zu Mikroplastik-Teilchen von 0,1 Millimeter Durchmesser abgebaut werden, liegen 125.000 Teilchen vor.
Schematische Darstellung: 1 Mikroplastik-Teilchen mit 5 Millimeter Durchmesser entspricht an Masse und Volumen 125 Mikroplastik-Teilchen mit 1 Millimeter Durchmesser oder 125.000 Mikroplastik-Teilchen mit 0,1 Millimeter Durchmesser
Wenn man die gleiche Masse an kleinen Kunststoff-Teilchen mit einem großen Plastikteil vergleicht, hat das Mikroplastik eine deutlich größere Oberfläche:
1 Mikroplastik-Teilchen mit 5 Millimeter Durchmesser entspricht an Masse und Volumen 125.000 Mikroplastikteilchen mit 0,1 Millimeter Durchmesser. Die Oberfläche aller 0,1 Millimeter-Teilchen zusammen ist 2500mal größer als die des einzelnen Mikroplastik-Teilchens mit 5 Millimeter Durchmesser.
Schematische Darstellung: Die Oberfläche von 125.000 Mikroplastik-Teilchen mit 0,1 Millimeter Durchmesser ist 2500mal größer als die Oberfläche eines Mikroplastik-Teilchens mit 5 Millimeter Durchmesser (berechnet für kugelförmige Teilchen)
Durch die größere Oberfläche der Mikroplastik-Teilchen können die chemischen Zusätze, die in den meisten Kunststoffen vorhanden sind (sogenannte Additive wie Stabilisatoren oder Flammschutzmittel) leichter in die Umwelt abgegeben werden. Aber auch Schadstoffe aus der Umwelt können leichter über die größere Oberfläche aufgenommen werden. Ein anderer Effekt ist, dass über die größere Oberfläche der weitere Abbau der kleinen Partikel schneller erfolgen kann.
Für diese theoretische Betrachtung wurde angenommen, dass die Kunststoffpartikel als Kugeln vorliegen. Tatsächlich handelt es sich aber um irregulär geformte Teilchen unterschiedlicher Größe, wobei der Effekt der größeren Oberfläche aber ähnlich ist.
Verwendete Quellen
Internetseite „Kunststoffabfälle“, Umweltbundesamt, Dessau-Rosslau https://t1p.de/ynju
Kunststoffe in der Umwelt, Publikation 2019, Umweltbundesamt, Dessau-Rosslau https://t1p.de/h9ijh