Mikroplastik aus Zigarettenfiltern gefährdet Tiere in Flüssen, Seen und Meeren
Fast überall dort, wo Menschen leben, arbeiten oder ihre Freizeit verbringen, finden sich Zigarettenstummel. Sie werden als die am häufigsten weggeworfenen Gegenstände im öffentlichen Raum angesehen – leider werden sie nur selten ordnungsgemäß entsorgt. So finden sie sich auf Straßen und Gehwegen, am Wegesrand und landen bei Niederschlägen in der Kanalisation oder mit dem Oberflächenabfluss in Gewässern. Über Flüsse gelangen die Zigarettenstummel auch in die Meere, aber auch direkt über an Stränden, Ufern und in Hafengebieten weggeworfene Zigarettenkippen.
Bei einer Untersuchung in Berlin vor einigen Jahren wurden durchschnittlich 2,7 Zigarettenstummel pro Quadratmeter Gehweg gefunden, im Winter vor dem Ausgang einer S-Bahnstation sogar über 48 Kippen pro Quadratmeter.
Bild: Wegegeworfene Kippe am Straßenrand.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass jedes Jahr etwa 6 Billionen Zigaretten produziert werden und von diesen etwa 4,5 Billionen Zigarettenstummel in der Umwelt landen. Über 90 % der Zigaretten werden mit Filter verkauft. Insbesondere diese Filter stellen ein großes Umweltproblem dar – zum einen, weil der Filter beim Rauchen Schadstoffe aus dem Zigarettenrauch aufgenommen hat – Nikotin, giftige Metalle und Verbrennungsprodukte wie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK). Vor allem aber sind die Filter selbst eine Umweltbelastung, da sie aus über 10.000 Mikrofasern des halbsynthetischen Materials Celluloseacetat bestehen. Die Filter lösen sich zwar unter Umwelteinflüssen teilweise auf, aber die freigesetzten Celluloseacetat-Fasern, die vorwiegend kleiner als 0,2 Millimeter lang sind und damit die Definition für Mikroplastik erfüllen, werden nur sehr langsam weiter abgebaut.
Zigarettenstummel können von größeren Wildtieren bei der Nahrungssuche aufgenommen werden – inklusive der Schadstoffe, die dann im Magen und Darm freigesetzt werden. Filter im Magen-Darm-Trakt von Tieren können zu Verstopfung führen und ein Sättigungsgefühl erzeugen, so dass nicht ausreichend Nahrung aufgenommen wird. In der Umwelt – vor allem in Gewässern – können Zigarettenfilter über mehrere Jahre Celluloseacetat-Fasern als Mikroplastik freisetzen. Aufgenommenes Mikroplastik stellt besonders für kleinere Organismen eine Gefährdung dar.
In einer aktuellen Studie haben Forschende der Universität Göteborg untersucht, wie sich das Verhalten von Raucherinnen und Rauchern bei der Entsorgung der benutzten schadstoffhaltigen Zigarettenfilter potenziell auf Wasserorganismen auswirken kann. Zunächst wurde das Raucherverhalten in Göteborg beobachtet. So wurden in Gruppen von Rauchenden die vorhandenen Aschenbecher deutlich seltener genutzt (nur 9 %) als durch einzelne Rauchende (immerhin 26 %). Jüngere Raucherinnen und Raucher nutzten deutlich seltener Aschenbecher als ältere (7 % im Vergleich zu 35 %). Immerhin wurden desto weniger Zigarettenstummel auf den Boden geworfen, je mehr Aschenbecher verfügbar waren.
Danach untersuchten die schwedischen Forschenden in Laborversuchen, was mit Zigarettenstummeln passiert, wenn sie über die Kanalisation in Gewässer gelangen. Hierfür wurden Larven von Zuckmücken als Süßwasser-Modellorganismus gewählt. In Wasserproben, in denen benutzte Zigarettenfilter aufgelöst worden waren, war die Mobilität der Mückenlarven bei Kurzzeituntersuchungen im Vergleich zu Kontrollproben deutlich verringert (75 bis 100% Einschränkung der Bewegungsfähigkeit). Weitere Untersuchungen zeigten, dass nicht nur die aus dem Zigarettenrauch gefilterten Stoffe einen die Bewegungsfähigkeit beeinträchtigten, sondern auch das aufgelöste Filtermaterial, das die Larven anscheinend mechanisch behindert. Zusätzliche Langzeituntersuchungen an Larven in Anwesenheit von Sediment bestätigten Effekte durch die Zigarettenstummel. So waren das Wachstum der Larven sowie ihre gesamte Entwicklung in den Experimenten in Anwesenheit von Zigarettenfiltern signifikant reduziert.
Es gibt bereits viele solcher Untersuchungen an unterschiedlichen Organismen, die Schädigungen von Lebewesen durch Zigarettenkippen klar belegen. Die meisten Forschenden untersuchten insbesondere die Wirkung der schädliche Chemikalien, die in den Filtern mit anhängenden Tabakresten enthalten sind. Inzwischen gibt es aber auch mehrere Arbeiten, wie die der schwedischen Arbeitsgruppe, die Gefährdungen von Organismen durch Mikroplastik-Fasern der Filter deutlich belegen.
Die Menge der weggeworfenen Zigarettenstummel und die dadurch vermutlich verursachten Schädigungen von Wildtieren versucht die EU durch eine Richtlinie zu vermindern. 2019 wurde die Richtlinie 2019/904 über die Verringerung der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt verabschiedet. Kunststoffhaltige Filter für Tabakprodukte werden auch ausdrücklich in der Begründung der Richtlinie genannt: „Kunststoffhaltige Filter für Tabakprodukte sind die am zweithäufigsten an den Stränden der Union vorgefundenen Einwegkunststoffartikel. Die enormen Umweltauswirkungen von Abfällen von Tabakprodukten mit kunststoffhaltigen Filtern, die nach dem Konsum der Produkte entstehen und unmittelbar in die Umwelt entsorgt werden, müssen verringert werden.“ Die EU-Mitgliedstaaten werden aufgefordert, Maßnahmen zur Verringerung der Vermüllung durch Abfälle der Tabakprodukte mit kunststoffhaltigen Filtern zu fördern, die nach dem Konsum der Produkte entstehen. Zigarettenpackungen müssen nun seit Juli 2021 mit dem Hinweis „Filter enthält Kunststoff“ gekennzeichnet sein (Foto). Zur Frage, ob dieser Aufdruck auf Zigarettenpackungen das Umweltbewusstsein von Rauchern beeinflusst, gibt es noch keine Untersuchung. Allerdings haben auch die drastischeren Hinweise auf den Zigarettenpackungen zu den Gesundheitsgefahren des Rauchens nicht zu einer deutlichen Abnahme der Zahl der Raucherinnen und Raucher geführt.
Bild: Hinweis auf die Umweltgefahr durch Zigarettenfilter auf einer weggeworfenen Packung.
So sind weiterhin Aufklärungsaktionen notwendig, um Rauchende auf die Umweltgefährdung durch weggeworfene Zigarettenfilter hinzuweisen und so möglichst Verhaltensänderungen zu erreichen. Um die Zahl der in die Umwelt gelangten Zigarettenstummel zu reduzieren, gibt es immer wieder Reinigungs- und Aufräumaktionen durch Umweltorganisationen und private Initiativen. Auch Project Blue Sea e.V. führt solche Aktionen durch (https://projectbluesea.de/zigarettenkippen-auch-eine-gefahr-fuer-die-umwelt/).
Bild: Ergebnis einer Cleanup-Aktion von Project Blue Sea e.V..
Verwendete Quellen
Belzagui F, Buscio V, Gutiérrez-Bouzán C, Vilaseca M (2021). Cigarette butts as a microfiber source with a microplastic level of concern. Science of the Total Environment 762:144165 https://t1p.de/4wqwv
Nitschke T, Bour A, Bergquist M, Blanchard M, Molinari F, Almroth B (2023). Smokers’ behaviour and the toxicity of cigarette filters to aquatic life: a multidisciplinary study. Microplastics and Nanoplastics 3:1 https://t1p.de/t3x8v
Roder Green A, Putschew A, Nehls T (2014). Littered cigarette butts as a source of nicotine in urban waters. Journal of Hydrology 519:3466-3474 https://t1p.de/e25kq
Richtlinie (EU) 2019/904 des europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2019 über die Verringerung der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt https://t1p.de/oo923
TobaccoTactics, University of Bath https://t1p.de/3jgd5
World Health Organization (2022) Tobacco: poisoning our planet ISBN 978-92-4-005128-7 https://t1p.de/hk3wu